13.11.2018 Magdeburg; Lischka trifft Kevin Kühnert

Der Saal im Familienhaus Magdeburg ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als Burkhard Lischka seinen Talkgast auf die Bühne bittet. Der Focus bezeichnete ihn als „Merkels größte Sorge“, heute ist er zu Gast in der Talkrunde „Lischka trifft“: Kevin Kühnert, seit einem Jahr Bundesvorsitzender der SPD-Nachwuchsorganisation und seitdem bundesweit bekannt. „Treibst Du Andrea Nahles auch manchmal Sorgenfalten auf die Stirn?“, fragt Moderator Burkhard Lischka zum Einstieg. „Ich glaube, sie hätte sich eher gewünscht, dass ich mir als Hobby einen Kaninchenzüchterverein gesucht hätte“, sagt Kühnert mit einem Augenzwinkern. „Was ist der Unterschied zwischen Kevin Kühnert früher und heute?“, will Lischka wissen. Die Anonymität sei weg, so Kühnert. Auf der Straße bekomme er zwar meist positive Rückmeldungen. Aber die Bekanntheit beschäftige ihn schon und damit etwa die Frage, ob er sich in der Öffentlichkeit anders verhalten müsse. Schließlich sei es immer möglich, von Journalisten auch abends in der Kneipe beim dritten Bier abgelichtet zu werden.

Haltung als SPD-Merkmal

Auf Kühnerts Aussage: „Aus der SPD tritt man nicht aus, sondern man stirbt raus.“ angesprochen, fragt der Moderator seinen Talkgast, wer denn eher sterbe: Kevin Kühnert oder die SPD? – Er glaube, dass die SPD noch lange existieren werde. Allerdings werde die Partei nicht aus Artenschutzgründen gewählt, weil sie schon mehr als 150 Jahre gebe. „Wir müssen stattdessen den Menschen begründen, warum es die SPD noch lange geben muss, und dafür versuche ich zu arbeiten“, so Kühnert. „Haltung“ sei ein Merkmal der SPD aus der Geschichte heraus, nämlich Meinungen auch durchzuhalten, wenn sie gerade nicht mehrheitsfähig seien, und dafür auch Nachteile in Kauf zu nehmen.

Bundestagswahl 2017

Dann macht Burkhard Lischka den Schwenk zur Bundestagswahl 2017. „Im Frühjahr 30, 34 Prozent in den Umfragen für Martin Schulz, ein halbes Jahr später dann 20,5 Prozent. Hast Du eine Erklärung, heute ein Jahr später, was wir da im letzten Jahr erlebt haben und was man daraus vielleicht auch lernen kann?“ Zwei wichtige Erkenntnisse formuliert Kühnert dazu: „Erstens: Die Begeisterung um Martin Schulz war echt und hat die Menschen zu der Einschätzung gebracht: Das ist die Sozialdemokratie, wie ich sie mir wünsche.“ Schulz hätte in klarer Sprache auch über in der SPD gemachte Fehler gesprochen, über Respekt gegenüber den Lebensleistungen und Lebenswegen der Menschen, über einen starken Sozialstaat, über Solidarität, Zusammenhalt und Offenheit. „Das ist zeitgemäß und kann Leute begeistern“, so Kühnert. Seine zweite Erkenntnis, auch aus der Lektüre der „Schulz-Story“ des Spiegel-Redakteurs Markus Feldenkirchen, der den SPD-Kandidaten im Wahlkampf eng begleitet hatte: Rund um den Kanzlerkandidaten habe es einen riesigen Wust an Beratern gegeben. Doch schlaue Köpfe würden nicht immer zwangsläufig gute Politik machen. Sozialdemokraten müssten ihre Konzepte immer so gut erklären können, dass der Wähler nicht erst drei Tageszeitungen gelesen haben muss, um die SPD zu verstehen. Wir müssten den Menschen in lebensnahen Beispielen erklären, was sie von uns haben, nicht nur in ihren Rentenbescheiden, sondern auch in ihren Wertvorstellungen, zeigt sich Kühnert überzeugt.

„Woran hakt es bei der SPD im Moment konkret?“, fragt Burkhard Lischka weiter. Nach Kevin Kühnerts Überzeugung seien die politischen Antworten zu klein für die Herausforderungen unserer Gesellschaft. Beispiel Dieselskandal: Dies verstünden die Menschen als Grundsatzfrage, wer heute in der Politik eigentlich am längeren Hebel sitze – die Politik oder große Konzerne, welche uns ihre Spielregeln diktierten? Die etwa wie Facebook und Co. entscheiden würden: „Ich hänge in Luxemburg einen Briefkasten auf und lasse mich dann dort besteuern“. Da stellten sich viele die Frage, ob das der Preis für Globalisierung und Digitalisierung sei oder ob Politik willens und in der Lage sei, Kontrolle wieder zurückzugewinnen. Zum Beispiel mit einem europäischen Mindeststeuersatz. Das bedeute dann auch, Konflikte mit reichen und einflussreichen Menschen einzugehen.

Politik für solidarische Mehrheit

„Für mich ist wichtig, dass die Gewerkschaften, die abhängig Beschäftigten und junge Familien mit Kindern sagen, dass wir gute Politik machen, und nicht der Verband der Chemischen Industrie. Wir müssen auch Häme und Güllekübel von Leuten ertragen, die nicht zu unserer Klientel gehören“, fasst es der Juso-Chef unter großem Publikumsapplaus zusammen. Die SPD-Zielgruppe sei die solidarische Mehrheit – und zwar einerseits derjenigen, die als sozial Schwache auf die Solidarität der anderen angewiesen seien, und andererseits derjenigen Mehrheit, die wegen ihrer Grundüberzeugung solidarisch seien.

 

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